[Federstrich]

Liebes Forum,

ich muss gestehen, ich bin etwas sauer. Vielleicht habe ich mich auch einfach nur ungeschickt angestellt: Heute war ich bei zwei Copyshops hier in Freiburg, um mich zu erkundigen, ob die auch auf Recyclingpapier drucken. Es geht dabei um meine Magisterarbeit, die etwa 100 Seiten haben wird. Gedruckt werden soll das Ganze zwar erst um Weihnachten, aber ich muss mich trotzdem jetzt schon darum kümmern, weil ich mit meinem Anspruch auf umweltschonendes Publizieren von der Freiburger Norm abzuweichen scheine.

Zur Vorgeschichte:
Ich war heute beim Prüfungsamt und habe gefragt, ob ich Recyclingpapier benutzen und die Arbeit auch beidseitig bedruckt abgeben darf.
Die Dame hat mich erstmal angeschaut mit einem Blick, der ungefähr den Worten, "bist du blöd, oder was?", entsprach. Dann hat sie gefragt, warum ich das machen will und ob es denn so schwierig sei, die Dinge einfach so zu machen wie alle anderen auch.

Ich war total baff: ich hatte zwar erwartet, dass das nicht so einfach geht, dass ich aber begründen muss, warum ich die Umwelt schonen will, machte mich sprachlos.
Ich fing dann an zu erklären, was für mich offensichtlich war: Recyclingpapier, weil wiederverwertet, und doppelseitig, weil nur die halbe Papiermenge.
Irgendwann sagte sie dann, "meinetwegen", und ich ging zum nächsten Copyshop. Dort sagte man mir, "mach's doch auf hochweißes Papier, macht hier jeder so und sieht einfach besser aus!" Als ich dann sagte, ich wolle aber wirklich Recyclingpapier benutzen, war der Kommentar nur, "Duplex geht dann aber nicht, weil die Schrift beim 80g-Papier zu sehr durchscheint". 90ger Papier gäbe es nicht.

Ich wusste gar nicht, dass es so schwer ist, umweltschonende Materialien zu benutzen und will mir jetzt selbst ein 90er Recyclingpapier kaufen, das nicht so sehr durchscheint.

Kennt jemand eine Papiersorte, die umweltverträglich mit einem Weißegrad zwischen 70 und 90 kommt und für den Duplexdruck geeignet ist?

Die ganze Zähigkeit in dieser Angelegenheit hat mich erst recht angespornt, gute Ergebnisse auf umweltfreundlicher Basis zu liefern.

Vielen Dank und viele Grüße,
euer Federstrich

[Radkurier]

Zu deinem Post gibt es einige Fragen (z.B. was verstehst du unter Weißegrad zwischen 70 und 90? Eine solche Maßeinheit gibt es nicht.) und einige Erklärungen.

Die Aussage, die Opazität sei auf Recyclingpapier schlechter als auf Frischfaserpapier ist nicht richtig, gerade das graue Recylingpapier hat naturgemäß wegen seiner Färbung eine sehr gute Opazität.

Andererseits, willst du wirklich Recyclingpapier aus Post-Consumerware (sprich aus Altpapiersammlungen) verwenden? Die Sorten sind entweder richtig grau (und tragen dann den Blauen Engel) oder wurden unter massivem Chemieeinsatz deinkt, was unter Umweltgesichtspunkten sicherlich auch nicht toll ist. Und für diese recyclten Fasern gibt es genug andere Anwendungen, z.B. im Graupappen- und Kartonagenbereich.

Papiere aus Pre-Consumer Ware (sprich Weißabfälle aus Papierfabriken und Druckereien) sollten es doch auch tun? Oder Papiere aus FSC kontrolliertem Anbau.

Copyshops lassen sich auch selten auf Papierwünsche ein. Die Laufeigenschaften in den Kopierern sind nicht garantiert und die Papiere verstauben die ganze Anlage.

[Federstrich]

Hallo Radkurier,

vielen Dank für deine Antwort! Ich kenne mich mit Papier nicht sonderlich gut aus. Die im Copy-Shop sprachen immer von einem 70er, 80er und 90er Weißegrad und meinten, das sei viel zu dunkel für gute Ergebnisse. Ich will aber nur Text drucken, keinerlei Grafiken...

Wichtig ist mir nur, dass es Recyclingpapier ist, ob post-consumer oder pre-consumer ist dabei nicht so wichtig, solange es aus Abfällen und nicht aus "Frischholz" gemacht ist.

Gibt es einen Online-Shop, wo ich solches Papier in 500-Blatt-Packungen kriege? Bei den meisten Händlern müsste ich doch sicher deutlich mehr bestellen, oder?

Vielen Dank für deine Hilfe,
Federstrich

[type1]

Recystar ist meines Wissens nach FSC konform. Nur mal so als Beispiel.

[Radkurier]

[carlo]

[type1]

[heifisch]

Also erstens:
Recyclingpapier mit dem Blauen Engel (zu 100% aus Altpapier - post-consumer) erfüllt genau die gleichen Normen an Qualität und Laufeigenschaften wie sogenanntes Frischfaserpapier. Dies schreibt nämlich der Blaue Engel vor.

zweitens:
Recyclingpapier mit dem Blauen Engel zerstört keine Drucker (das ist ein Uraltfalschargument, das ständig von Technikern verbreitet wird, weil sie den Fehler nicht an ihrem Drucker suchen wollen), spart aber dafür bis zu 60% Wasser und Energie bei der Herstellung. Das bedeutet, wenn du nur 6 Blatt für deine Magisterarbeit auf Recyclingpapier druckst, hast du bereits 1 Liter Wasser gespart. Die Aussage, dass der Deinking-Prozess umweltschädlicher und energieintensiver sei, ist falsch. Eine wissenschaftliche Studie des Instituts für Energie und Umweltforschung Heidelberg hat genau das Gegenteil belegt. Die Fasergewinnung aus Holz ist deutlich energieintensiver und umweltbelastender als die Gewinnung der bereits vorhandenen Fasern aus Altpapier. Die Studie kann hier heruntergeladen werden: IFEU-Studie

FSC-Label für Papier sind kritisch zu sehen, da diese Label deutlich weniger strenge Kriterien anlegen als der Blaue Engel (keine Anforderungen an die umweltfreundliche Herstellung, keine Aussagen zur Verwendung von Chemikalien).

Wenn du weitere Hintergrundinformationen zu Recyclingpapier suchst und v.a. gute Argumente brauchst, findest du sie auf den Seiten der Initiative Pro Recyclingpapier: www.papiernetz.de. Die INitiative hat auf dem fm:p-Kongress zur nachhaltigen Medienproduktion "Media Mundo" in Berlin einen Vortrag gehalten, der ebenfalls zum Download bereit steht: Vortrag der IPR

Viel Spaß beim Überzeugen deiner Uni!