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Thema: Sprache der Musiker/Toningenieure/Kunden vom 13.06.2008


Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen MGi Foren-Übersicht -> Allgemeines - Bild und Ton -> Sprache der Musiker/Toningenieure/Kunden
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vise
Threadersteller

Dabei seit: 06.05.2008
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Verfasst Fr 13.06.2008 12:20
Titel

Sprache der Musiker/Toningenieure/Kunden

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Hallo,
ich habe 2 Fragen zu einem umfangreichen Audioprojekt, an dem ich gerade arbeite.

Und zwar würde ich gerne erfahren, wie Toningenieure/Musiker untereinander und mit ihren Kunden reden?
Also gibt es da eine typische Sprache, bzw. konkreter, wie beschreibt ein Kunde den Klang?
Was sind typische Sätze des Kunden (Produzent, Musiker, etc.) und deren Antwort.
Habt ihr da evtl. Beispiele? Ich bin Euch für jegliche Info sehr dankbar.
Ich möchte dadurch versuchen herauszufinden, ob solche Sätze wie "Mach mal den Sound fetter" wirklich existieren...

Eine weitere sehr wichtige Frage für mich wäre:
"Wenn Du 5 große Knöpfe zum Regeln eines Sounds hättest, wie würdest du diese "Knöpfe" benennen und was sollte da deiner Meinung nach passieren?"

Die Infos, die ich hier hoffentlich gewinne, dienen dazu, ein Soundbearbeitungsprogramm zu entwickeln, mit dem quasi jeder arbeiten kann und das sich nach den Bedürfnissen der User richtet.
Daher wäre ich Euch wirklich sehr dankbar für jegliche Antwort und es kommt euch ja auch zugute *zwinker*

//edit: titel gekürzt


Zuletzt bearbeitet von cleaner am Fr 13.06.2008 23:10, insgesamt 1-mal bearbeitet
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beatspencer

Dabei seit: 19.07.2008
Ort: -
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Geschlecht: Männlich
Verfasst Sa 19.07.2008 23:10
Titel

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Hallo Vise,

ich mache seit 1995 Musik und hoffe Dir ein mit meiner bisherigen Erfahrung ein wenig helfen zu können.

Wie ein Kunde den Klang beschreibt, hängt ganz davon ab, welche Erfahrungen dieser Kunde bisher mit Musik hatte. Wenn der Kunde sich ein wenig mit Musik und deren Klangeigenschaften auskennt, dazu noch weiß was er will, dann wird er recht detailliert Auskunft darüber geben, was er sich vorstellt, bzw. wo die Defizite zum bisherigen Status liegen. Für den Produzenten ist das super, da er genau weiß wo er hin arbeiten muss, und kann zielgerichtet nach dem Minimalprinzip arbeiten.
Ist der Kunde allerdings überhaupt nicht vom Fach, dann sind seine Schilderungen eher wage - er weicht dann schon mal schnell auf Phrasen aus, die entweder alles bedeuten können, oder nichts. Und so Sachen wie "es muss Fett klingen" sind dann auch keine Seltenheit. Der Produzent ist dann in der Regel bemüht, ein durchweg harmonisches und ausgewogenes Klangbild zu erzeugen, vielleicht etwas was an aktuelle Pop-Musik ran reicht, da das wohl bekannt und allgemein akzeptiert ist. Dies kann aber trotzdem auch nach hinten los gehen, weil vielleicht weder der Produzent, noch der Kunde weiß, wie der Klang eigentlich sein sollte - Theorie und Praxis liegen halt bei Fachfremden deutlich weiter auseinander.

Der Kunde eines Toningenieurs kann ein Musiker sein, der den Ingenieur beauftragt, die Tontechnik für die Aufnahme seines Albums zu überwachen und ggf. zu steuern. Diese Konstellation lässt i.d.R. eine hohe Fachkenntnis beider Parteien zu, was meist recht unkompliziert abläuft. Vor der Aufnahme wird der Produktions-Rahmen abgesprochen und das Studio-Set vorbereitet. Während der Aufnahme können dann so stereotypische Sätz fallen wie "Ich hab ein Brummen auf Kanal 3", "Du klingst irgendwie dünn, ich muss mal die Phase drehen", der geliebte Satz eines jeden Gitarristen "mach mich mal lauter, ich hör mich nicht". ...

Ein Arrangeur würde den Aufbau eines Musikstücks wie folgt beschreiben: "intro, strophe, bridge, refrain, strophe, bridge, strophe, bridge, refrain, bridge, outro" ... und dem Bassisten sowas sagen wie "pass auf, damit der refrain so richtig durchstarten kann, musst Du im letzten Takt der Bridge mit einer Synkope den Tonart-Wechsel starten ..."

Schlagzeuger interessieren grundsätzlich weder Melodie, noch Harmonie.

Wenn ein Musiker mit seinem Auftraggeber über ein Musikstück spricht, muss ja erst mal die Rahmenbedingung klar gemacht werdern - welches Genre, welche Stimmung, welche Geschwindigkeit, welcher Inhalt.

Genre: Blues, Rock, Schlager, HipHop, Reggae, etc. ... inkl. Unterkategorien
Stimmung: fröhlich, traurig, beschwingt, betroffen, aggressiv, melancholisch, etc. ... auch Kombinationen möglich
Geschwindigkeit: langsam, mittel, schnell, etc. ..., relative angaben, da Genre-Abhängig. Ein schneller Rumba kann deutlich langsamer sein, als ein gaaanz langsamer Minimal-Techno.
Inhalt: Text, Wortwahl, Rhetorik, Intonation, Intention, einhergehend mit Stimmung, gegensätzlich zur Stimmung, etc. ...
Und wenn man all diese Rahmen-Bedingungen abgesteckt hat, gibt es immer noch 1000 verschiedene Möglichkeiten dies umzusetzen.

Für Klänge gibt es viele Bezeichnungen: dumpf, brillant, dunkel, hell, tief, hoch, alt, frisch, retro, vintage, stark, schwach, dröhnend, klirrend, verzerrt, angezerrt, übersteuert, laff, schwach, dick, dünn, fett, satt, breit, schmal, etc.

Retro/Vintage wird in vielen Fällen einhergehend für Alt benutzt. Dabei geht es nicht unbedingt darum, dass der Klang abgenutzt und verbraucht daher kommt, sondern eher für den Charakter der Musik in Bezug auf die Musik-schaffende Epoche. Als Beispiel "Amy Winehouse - Rehab". Der Song ist klasse, er klingt fett, breit und satt. In Discotheken haut die Musik einen vom Fleck weg, aber trotzdem klingt die Musik retro / alt! Wäre dieser Song wirklich in der Zeitepoche aufgenommen worden, die der Song suggeriert (nämlich die 60er Jahre) dann würde er alles andere als fett und breit klingen, sondern eher muffig, dumpf, matt.

In aktuellen Pop-Produktionen soll die Musik immer brillant, fett, breit und satt klingen.

Bässe können pumpen, dröhnen, zerren, knurren und drücken. Der Bass soll i.d.R. immer knurren und drücken, damit er "fett" klingt.
Die Natur des Basses ist FETT zu sein. Das liegt wohl daran, dass lediglich der Bassbereich im Tonsignal immerhin bis zu zwei drittel des Energiespektrums auf sich zieht.

Gitarren können kreischen, dröhnen, singen.

Ach ja, man achtet immer darauf dass ein Mix mono-kompatibel ist.

Abmischen heißt nicht Mastern und Mastern heißt nicht abmischen.
Das Mastern macht nicht den Sound fetter!

Weitere typische Sätze aus dem Tonstudio: "Mach mir mal 'nen Downmix von der Subgruppe", "Route mal das Signal durch das Effektgerät", "Den Effekt solltest Du als Insert nutzen, nicht als Send", "Gib mir mal mehr Hall auf die Stimme", "Die Gitarre kommt nicht durch", "der Bass drückt alles weg", "kann mal jemand den Drummer stoppen!"

Musiker und Produzenten beschäftigen sich mit Melodien, Harmonien, Disharmonien, Grooves, Rhythmen, Bassläufen, Loops, Cuts, Breaks, Vocals, Backings, Adlibs, Parts, Feedback, etc. ...

Produzenten und Toningenieure beschäftigen sich mit Mixen, Subgruppen, Phasen, Mikrofonierung, Aussteuerung, Pegel, Kompression, Equalizern, Side-Chaining, Effekten, Inserts, Sends, Verkabelungen, Brummschleifen, Parts, Frequenzen, normalisieren, sättigen, mischen, mastern, Peak, Feedback, etc. ...

Du merkst, Teilweise ist das mit Humor zu sehen, aber in jedem Satz steckt viel wahrheit. Über das alles lassen sich haufenweise Bücher schreiben - wurde bisher auch getan. Am besten mal in die Lektüre einsteigen wenn Du Dich mit so einem Projekt befasst.


Die 5 Knöpfe:

Knopf 1: "normalize" - Die Lautstärke bis auf +/- 0 dB angleichen.
Knopf 2: "harmonize" - Klangliche Differenzen im Bass-, Tiefenbass- und im Höhenbereich harmonisch ausfüllen.
Knopf 3: "maximize" - Die gefühlte Lautstärke um bis zu 12 dB erhöhen natürlich (ohne zu verzerren)
Knopf 4: "ultralize" - Die Stereobreite über die Stereogrenze hinaus erweitern (ohne dass es flach/platt klingt)
Knopf 5: "minimize" - Dieser Knopf regelt jeden der vier vorherigen Parameter um jeweils 25 Prozent wieder zurück, da der Mensch gerne und häufig zu übertreibungen neigt.

Leider käme kein Knopf ohne zusätzliche Parameter aus. Der HARMONIZE die verschiedenen Bereiche unabhängig regeln können. Der MAXIMIZE müsste ebenfalls das Gesamte Klangspektrum variabel und unabhängig regeln können. Der ULTRALIZE müsste einen regler zur Phasenkorrektur haben, Der MINIMIZE kann bleiben wie er ist.

Aber mein Fazit daraus ist, dass was hoch komplexes nicht vereinfacht werden kann, ohne dabei nicht auf ein unteres Mittelmaß abzusinken.

Es gibt bestimmt von Langenscheidt ein Buch "Musiker/Deutsch - Deutsch/Musiker", was einem aber nur was bringt wenn man Musiker ist. Vielleicht einfach mal mit Musik-Laien über ihre Wünsche und Vorstellungen diskutieren und das dann mit einem Musik-Produzenten in Möglichkeiten, Theorien und traurige Wirklichkeit übersetzen.


Grüße, Christoph
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Nasou

Dabei seit: 22.08.2008
Ort: Stuttgart
Alter: 21
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Verfasst Fr 22.08.2008 13:00
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Krass man. Jo!
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cheffel

Dabei seit: 23.07.2007
Ort: München
Alter: 57
Geschlecht: Männlich
Verfasst Mi 27.08.2008 08:57
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*bäh*


Der beste Beitrag, den ich in diesem Forum je gelesen habe!! * Applaus, Applaus * * Applaus, Applaus * * Applaus, Applaus *

*Thumbs up!*
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hastrania

Dabei seit: 11.06.2008
Ort: berlin
Alter: 42
Geschlecht: Weiblich
Verfasst Do 04.09.2008 16:09
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* Ich bin unwürdig *

ich auch...

cool
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Nilorac

Dabei seit: 16.09.2008
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Alter: -
Geschlecht: -
Verfasst Fr 19.09.2008 14:40
Titel

Super Beitrag!

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Darf ich fragen was du für Musik machst? Hört sich sehr erfahren an dein Beitrag. Ich texte gelegentlich und habe die Produktion von 4 "meiner" Titel miterleben dürfen. Dabei fiel mir gleich auf, dass unsagbar viel Arbeit, Konzentration und Leidenschaft in einer Produktion stecken können, dass ein Tonmeister ein wahres Genie sein kann.

Ich glaube nicht, dass 5 Knöpfe ein Klangerlebnis herbeiführen können. Grundsätzlich wird ein User aber teilweise auch schon von Homerecording-Software überfordert und da sehe ich ggf. einen Ansatz für das hier beschriebene Projekt.

VLG! *bäh*
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