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Thema: Erfahrungsbericht: Ausbildung Niederlande 1. Jahr vom 30.12.2009


Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen MGi Foren-Übersicht -> Ausbildung -> Erfahrungsbericht: Ausbildung Niederlande 1. Jahr
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Inkschi
Threadersteller

Dabei seit: 29.11.2009
Ort: Niederlande
Alter: 38
Geschlecht: Weiblich
Verfasst Mi 30.12.2009 03:31
Titel

Erfahrungsbericht: Ausbildung Niederlande 1. Jahr

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Hallo zusammen,

Ich möchte hier mal eine Art Erfahrungsbericht liefern und zugleich mit deutschen MG Azubis Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Länder diskutieren. Ich muss mir das alles einmal von der Seele tippen, denn obwohl es mein Traumberuf ist und ich gerne an die Schule gehe, gibt es doch Dinge, die mich Zweifeln lassen und wo ich mein eigenes Talent in Frage stelle.

Kurze Vorgeschichte:

Ich lebe seit 3 Jahren in den Niederlanden, nach Kündigung aus meinem Bürojob war ich mehr als 1 Jahr auf der Suche nach einem neuen Job. Jedoch konnten mir weder das Arbeitsamt noch die "Aussendbüros" weiterhelfen. Letzendlich habe ich mich entschieden eine völlig neue Richtung einzuschlagen und mich daher wieder für die Schulbank in einer ganz anderen Richtung entschieden = als Mediengestalter.

Seit September mache ich eine schulische Ausbildung zu "Media vormgever MBO4" an einer technischen Schule in den Niederlanden. MBO kann man schwer in das deutsche Schulsystem übersetzen, wortwörtlich wäre es "Mittlere Berufbildung" - also Realschulähnlich - und die 4 bedeutet das Niveau in Lehrjahren. Genaugenommen kann ich darüber recht wenig sagen, da sich die Schulsysteme nur wage vergleichen lassen. Am Ende jedenfalls habe ich eine abgeschlossene Ausbildung als MG und die Möglichkeit an die HBO (Höhere Berufsbildung) zu gehen. Ich glaube es lässt sich einwenig mit Fachhochschulreife vergleichen.

Der Unterricht ist rein auf Niederländisch und is bisher mein größter Schwachpunkt in der ganzen Ausbildung (dazu aber später mehr)

Das Alter liegt hier zwischen 16 und 19 Jahren, ältere Generationen gibt es auch aber nur vereinzelt. Ich bin mit meinem 24 Jahren die Klassenomi und ein Lehrer von mir ist gerade mal 2 Jahre älter als ich.

Grundinformation zum Niederländischen Schulalltag:

Von 8.45 Uhr bis 15.00 Uhr haben wir Unterricht, jeweils 3 Blöcke a' 1h 45 min & 45 Minuten Pause am Tag.
Das gesamte Lernsystem ist eine Kombination aus Gruppenarbeit und individuellen Lernen. Wir erhalten ein Masterprojekt, welches in einem Zeitraum von 8 Wochen thematisiert wird (Ferien ausgeschlossen). Dazu einen "Reader" mit allen nötigen Angaben zum Projekt, Aufbau, Präsentionsinhalte, Endprodukte, Stundenplan und individuelle Einzel-&Gruppenaufträge.

Es gibt dazu im Prinzip drei Arten von Unterrichtstunden: Workshops, Kommunikation und Projekstunden.

Workshops = Unterricht, in denen wir die wichtigen Dinge für das Masterprojekt lernen (Zeichnen, Software, Hintergrundwissen) und Aufträge zum Üben des jeweiligen Themas erhalten.
Kommunkation = Sprachunterricht, Präsentationsaufbau und Betriebskunde in Niederländisch und Englisch
Projekstunden = freie Stunden um Unterrichtsaufträge zu vollenden, Gruppenarbeiten zu erledigen und alles was wir sonst noch so aufgetragen bekommen.

Die Fächer in denen wir Workshops erhalten sind folgende:

Technik und Software
Zeichnen und Malen
Sprache und Kommunkation
Management und Beruf
Idee und Entwurf
Kunst und Gestaltung

Benotung versteh ich hier noch nicht so ganz. Wir erhalten keine Noten sondern nur "erledigt" oder "unerledigt". Es gibt nach Ablauf der Deadline noch eine Woche "Reparatur" alle "unerledigt" auszugleichen, denn ein unerledigter Auftrag in den ganzen 8 Wochen von Unterricht und Masterprojekt bedeutet, dass das ganze Masterpojekt nicht vollständig abgeschlossen wurde und man somit praktisch in dem Projekt durchgefallen ist.

Hierbei wird keine Rücksicht genommen auf Krankheit. Workshops behandeln ein Thema nur einmal und es gibt "einen Auftrag dazu", heißt wenn man bei "Idee und Entwurf" das Thema "Illustrationstechniken" verpasst, muss man zwar den Auftrag erfüllen, erhält aber keinen Unterricht mehr dazu...

Meine Erfahrungen bisher:

Nunja, soviel zur Theorie. Die Praktik an meiner Schule sieht jedoch ganz anders aus. Chaos bestimmt das Handeln und im moment weiß ich noch nicht wie nützlich diese Ausbildung wirklich ist. Die Lehrer sind nicht wirklich eingearbeitet, jeder lehrt ein bisschen hiervon einwenig davon. Wir hatten doppelte Workshops oder einer wurde mal vergessen zu halten. Obwohl gesagt wurde das wir 85% der Aufträge in den Unterrichtsstunden fertig machen und keine Hausaufgaben aufbekommen, sitze ich bei den meisten Aufträgen mehrere Stunden zuhause ohne wirklich das Gefühl zu bekommen etwas zu lernen, es ist alles pur Zeitdruck und Stress.

Ich will nicht sagen ich lerne garnichts, jedoch is das Niveau der einzureichenden Aufträge wahrscheinlich irgendwo zwischen "unter der Schuhsohle" und "Socke" anzusiedeln, jedoch werden keine genauen Angaben dazu gemacht.

Beispiel: Perspektiefzeichnen - Auftrag mit technisch Zeichnen mit zwei Fluchtpunkten einer futuristischen Stadt
Wir hatten nie technisch Zeichnen zuvor, der Workshop ging über das Zeichnen EINES Gebäudes mit zwei Fluchtpunkten und dann gleich so ein Auftrag, jeder total verwirrt. Zeitvorgabe: 1 Woche. Ich habe an meiner Zeichnung mehr als 9 Stunden gesessen um am Ende von vergleichsweise "faulen" Klassenkameraden zu hören gekriegt, das deren Zeichnungen auch als erledigt gewertet worden sind obwohl es nur blöcke und formen in der richtigen Perspektieve waren... * Ich geb auf... *

Anstatt Zeit zum Lernen kriegen wir immer mehr Aufträge mit jedem neuen Workshop die wir nicht innerhalb des Blockes abschließen bzw. einreichen können. Selbst eine Stunde mehr daran arbeiten, bedeutet eine Stunde mehr zuhause oder von den Projekstunden abziehen. Was widerrum bedeutet, das man nicht an den Gruppenarbeiten oder an den Aufträgen für das Masterprojekt arbeiten kann. Darunter leidet für mich stark meine Produktqualität und Entfaltung, sowie das pünktliche Einreichen geschweige den nachholen verpasster Stunden.

Was ich oben erwähnt habe ist das der gesamte Unterricht auf Niederländisch ist, meine Muttersprache ist jedoch Deutsch und Englisch meine Zweitsprache (auch wenn ich mittlerweile weit weniger Deutsch spreche/schreibe als Niederländisch). Niederländisch spreche ich erst seit einem Jahr und schreiben tue ich es erst seitdem ich zur Schule gehe. Ohne Sprachkurs; ohne Rechtschreibung. Da ich am ende der Ausbildung das Europäische Sprachniveau B2 erreichen muss, werde ich nach momentanen Sprachunterrichtsstandart - nämlich keinen - mir wahrscheinlich im Laufe der schulischen Ausbildung das Genick brechen. Die Schulleiter versicherten mir zwar das es mit der Zeit gut kommen wird, so sicher bin ich mir aber da nicht mehr so ganz.

Gut 60% sind Schreibaufträge - ständig Berichte wie Projektberichte und Storyboards oder Referate; aber ich erhalte keinen gesonderten Grundunterricht. Ich tue mein Bestes und bisher haben meine Lehrer alle darauf Rücksicht genommen. Jedoch schleife ich im moment mit den Aufträgen, weil mich die Aufträge auf Niederländisch soviel Zeit kosten und ich deswegen seit einer Weile mit Dauerkopfschmerzen rumlaufe. Drei Sprachen täglich anzuwenden kostet sehr viel Energie und zusätzlich noch mit einer Neurose kämpfen, die mich einen Großteil der Teilnahme am Unterricht kostet und am Ende noch kreative Ideen aus dem Ärmel schütteln wird wahrscheinlich über kurz oder lang nicht gut gehen...

Ich möchte zumindest noch soviel wie möglich vom Kreativen Teil der Ausbildung mitnehmen wie mir möglich ist... wenn der kreative Teil zumindest vorhanden wäre.. bisher is es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein...
Im Prinzip könnte ich jetzt noch sicher einen halben Roman dazu schreiben, wenn ich das nicht schon getan habe. Alles in allem bin ich zur Zeit sehr sehr unzufrieden mit dem schulischen Aufbau und der Organisation. Es ist zwar erst das 1. Jahr jedoch bin ich mit meinem 24 Jahren erpicht etwas zu lernen und etwas aus meinem Leben zu machen, daher habe ich einen gewissen Standart an Niveau und Erwartungen, sitze aber zwischen Selbstzweifel, Krankheit und schulischen Chaos. Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, das dies wahrscheinlich für mich noch die einzige Möglichkeit für einen Berufsabschluss ist. Nach Deutschland zurück kann und möchte ich nicht und für Fernkurse oder dergleichen fehlt mir das Geld :/

Ich bitte um Verzeihung und Verständnis für diejenigen die ich mit meinem langen Bericht gelangweilt habe. Ich wollte anderen einen kurzen Eindruck von einer schulischen MG Ausbildung im Nachbarland geben und für mich selbst herausfinden inwieweit diese Ausbildung mir nützen wird. Da ich keine Ahnung habe, wie in Deutschland die MG Ausbildung im ersten Jahr oder generell aussieht und wie andere Menschen diese erfahren, ich hoffe also das einige mir ihre Erfahrungen ebenso schildern werden.

Ich könnte noch einiges mehr über die letzen Wochen und unsere ersten zwei Masterprojektverläufe schreiben aber ich belasse es erstmal hiermit, sollte es jemand wissen wollen, kann ich ja später noch meinen Bericht weiter ausführen =)
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Soulfee

Dabei seit: 20.09.2007
Ort: -
Alter: -
Geschlecht: Weiblich
Verfasst Mi 30.12.2009 14:00
Titel

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Das alles hört sich ja nicht wirklich nach Zuckerschlecken an.

Aber tröste dich, von den Betrieben, die ich kennen gelernt habe und auch von der Schule her, saß man auch oft genug nur rum und hatte nicht mal ne Kleinigkeit zu erledigen.

Was hast Du denn danach für Chancen? Ist die Ausbildung auch annerkannt in Deutschland und äquivalent zum Mediengestalter oder wird es hier als gestaltungs-technischer Assistent annerkannt?

Das alles weiß man ja nie so genau. Ich habe damals 3 Jahre lang in Brüssel gelebt und trotz deutscher Schule und bayerischem Abitur wurde es in Deutschland nicht richtig annerkannt.
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